Der Schmuck der Maharajas. Aus der Schatzkammer indischer Fürsten
Sonderausstellung vom 26. Mai bis 06. November 2016
Schloß Wernigerode und der Schmuck der Maharajas – was auf den ersten Blick befremdlich sein mag, wird bei genauer Betrachtung zu einer Ausstellung mit feinen Querverweisen in Vergangenheit und Gegenwart. Die erstmals in Norddeutschland zu sehende Schmuckschau bietet dem Besucher mit über 100 Stücken einen einmaligen zeitlichen als auch kunsthandwerklichen Überblick über den Schmuck Indiens vom 16. bis in das 19. Jahrhundert.
Die Ausstellung ist einerseits eine Einladung an die Sinne. Der teils farbenfroh mit Edelsteinen verarbeitete Schmuck, das teils fein bearbeitete Gold und Silber haben einen extrem hohen Schauwert. Andererseits erweitern die Ausführungen zu den Exponaten sehr unser (europäisches) Verständnis von indischem Schmuck.
In den Ausstellungsräumen wird sichtbar, dass die hiesige handwerkliche Kunst der Raumgestaltung und deren Farbgebung mit den indischen Schmuckstücken harmonieren.
Natürlich öffnet sich mit den Pretiosen auch eine andere, unbekannte Welt. Speziell die hinduistischen Glaubensvorstellungen, z. B. der Urmythos „Vom Quirlen des Milchozeans“, werden durch Begleittexte erläutert, da sie eine wichtige Rolle zum Verständnis der Schmuckstücke spielen. Bei einem Großteil der ausgestellten Stücke wird daher erklärend die Funktion vorangestellt. So gibt es schützende Amulette, direkt unter der Kleidung am Körper getragen, die trotz ihrer feinen Bearbeitung nicht für das Auge eines außenstehenden Betrachters angefertigt wurden. Ihnen wie einer ganzen anderen Reihe von Exponaten war die Verbindung zu einer Gottheit inne, in teils komplizierten Ritualen durch indische Priester geweiht.
In den Schmuckstücken spiegelt sich die Geschichte wieder: die erfolgreiche zunächst kriegerische, später friedliche Assimilation von islamischer Kultur in die jahrtausendealte hinduistische Tradition Indiens. Die in großen Teilen von Mensch und Tier abbildungsfreie islamische Kunst, die jedoch eine opulente florale Ornamentik hervorgebracht hat, traf auf die bildgewaltige Darstellungsfreude indischer Gottheiten, Menschen und Tiere. Zu dieser künstlerischen Gratwanderung kommen später noch europäische Einfüsse hinzu. Dies betraf sowohl die Herkunftsgebiete der Edelsteine und -metalle, aber auch die Verarbeitungsmethoden und Darstellungsweisen.
Das Thema der Verarbeitung und des Kunsthandwerkes kann ein eigenes Kapitel ausfüllen. Dies reicht von der indischen Bearbeitungsweise der Edelsteine, der ein europäischer Facettenschliff fremd war, über die Art der Goldeinfassungen bis hin zur perfektionierten Email-Technik. Auch spiegeln Art und Weise der Herstellung wieder, ob die Schmuckstücke für einen hinduistisch geprägten Maharaja-Hof oder einen islamischen Mogul gefertigt wurden.
Das Ausstellungsstück „Der Scindia-Maharaja von Gwalior auf seinem Elefanten“ ist unter den ausgestellten Objekten singulär, da es komplett aus Elfenbein gefertigt wurde. Es fasst die Ausstellung aber wunderbar zusammen: Zu sehen ist ein indischer „Märchenkönig“ auf seinem Palastelefanten, begleitet von einer Prozession. Obwohl alles in Elfenbein gehalten ist, ist der Schmuckreichtum, der den Regenten, den Elefanten, Pferde und Reiter bedeckt, geradezu farbig zu sehen. Das Objekt wurde
höchstwahrscheinlich aus den Stoßzähnen eines verstorbenen Palastelefanten angefertigt. Bestimmte Bearbeitungselemente weisen noch die Anatomie der mächtigen Stoßzähne auf.
Ergänzt wird die von Hans Weihreter, einem ausgewiesenen Kenner indischen Schmucks, kuratierte Ausstellung durch Leihgaben an die Schloß Wernigerode GmbH. Zu nennen ist speziell ein großformatiges Fotoalbum aus der Zeit um 1900, welches Abbildungen des „alten“ Indiens in hoher Qualität zeigt. Das Album war eine Entdeckung der Veranstaltung „Teuer oder Täuschung“ im Frühjahr auf Schloß Wernigerode.
Ein Großteil der Schmuckstücke stammen aus dem 19. Jahrhundert. Diese Epoche ist sowohl in Deutschland als auch in Indien mit großen Umbrüchen verbunden. In ersterem kann nach 1848 noch einmal für mehrere Jahrzehnte der Adel seine Macht halten. Fast zeitgleich entstand das britische Kaiserreich Indien, dass mit einem letzten Aufblühen der Maharaja-Kultur verbunden ist. Darüber hinaus waren die Grafen zu Stolberg-Wernigerode vor allem im 18. Jahrhundert unverzichtbare Unterstützer der „Dänisch-hallischen Mission“, der ersten protestantischen Missionsierungsgesandtschaft, die von Halle aus Einfluss in Indien erhielt. So kommt es, dass zur Zeit die Zeugnisse dreier Weltreligionen auf Schloß Wernigerode vereint sind.
Weiterführend:
Hans Weihreter: Schmuck der Maharajas. Aus den Schatzkammern indischer Fürsten.
Berlin, Münschen 2013.
Hans Weihreter: Blumen des Paradieses. Der Fürstenschmuck Nordindiens. Graz 1997.
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