Geistvolles "to go"
Reisebar („Tantalus“), 20-teilig, bestehend aus vier Karaffen und 16 Likörgläsern in Holzschatulle
Frankreich (?), 2. Hälfte 19. Jahrhundert
27 x 30,5 x 24,5 cm
© Schloß Wernigerode, Inv.-Nr. Kg 84
Die Sommerzeit gilt seit jeher als Reisezeit und in dieser wollte man auch in früheren Epochen – vorausgesetzt, man konnte es sich leisten – nicht auf Luxus und Genuss verzichten. Dazu gehörte auch beispielsweise ein Gläschen Likör, das man gerne bei einem Picknick oder nach einem unterwegs eingenommenen Essen trank. Als praktisches und zugleich stilvolles Utensil diente hierfür eine Reisebar, wie sie im Kunsthandel für die Sammlungen von Schloss Wernigerode erworben wurde.
Die aus Wurzelholz mit eingelegten Ornamentbändern gearbeitete Schatulle lässt sich nach oben und seitlich öffnen, so dass ein Einsatz für vier Karaffen und 16 Gläser zum Vorschein kommt, der sich wiederum mittels eines Messinggriffs herausnehmen lässt. Die darin aufbewahrten Gefäße zeigen einen mattgeschliffenen Golddekor aus Blättern und Blütenranken. Mit ihnen ließ sich auch einer größeren Gesellschaft ein alkoholisches Getränk in einer Weise kredenzen, die zugleich optisch ansprach – gemäß der abgewandelten Redewendung: „Das Auge trinkt mit“.
Solche tragbaren Behältnisse werden mitunter auch als „Tantalus“ bezeichnet, in Anlehnung an den gleichnamigen König aus der antiken Mythologie, den die Götter für verschiedene Freveltaten bestraften, indem er in der Unterwelt andauernden Durst und Hunger in Anbetracht von stets versiegendem Wasser und sich zurückziehenden Früchten erleiden musste („Tantalusqualen“). Genau genommen handelt es sich aber bei dem unter diesem Namen 1881 in England patentierten Gegenstand um einen verschließbaren Flaschenhalter, mit dem deren Inhalt vor dem Zugriff durch Kinder, Dienstboten oder sonstige Unbefugte geschützt werden sollte.
Die in der Neuen Bibliothek von Schloss Wernigerode ausgestellte Reisebar verkörpert somit auf anschauliche Weise die auch im 19. Jahrhundert in Kreisen des Adels und gehobenen Bürgertums verbreitete Vorliebe für einen unterwegs oder im Freien eingenommenen Umtrunk. In ihrer hochwertigen Gestaltung stellt sie zugleich ein qualitätvolles kunsthandwerkliches Objekt dar, das erahnen lässt, dass ein in dieser geschmackvollen Form serviertes Getränk vermutlich besonders gut gemundet haben muss…
Autor: Ulrich Feldhahn
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